Weibliche Genitalbeschneidung

Weibliche Genitalbeschneidung

Weibliche Genitalbeschneidung bezeichnet verschiedene Formen des (Weg-)Schneidens der äusseren weiblichen Genitalien. International haben sich die Begriffe Female Gential Mutilation (FGM) und Female Genital Cutting (FGC) durchgesetzt. FGC ist eine Form der geschlechtsspezifischen Gewalt und verletzt elementare Menschenrechte wie das Recht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit.

Mehr zu den Begrifflichkeiten FGM und FGC hier.

Weibliche Genitalbeschneidungen haben eine lange Tradition und werden vorwiegend in Afrika, Südostasien und in arabischen Ländern durchgeführt. Die Art der Beschneidung variiert je nach Region und praktizierender Gemeinschaft. Folgende vier Typen der weiblichen Genitalbeschneidungen werden unterschieden:

  1. Klitoridektomie: Teilweise oder komplette Entfernung der äusseren Klitoris
  2. Exzision: Teilweise oder komplette Entfernung der äusseren Klitoris und der kleinen Schamlippen.
  3. Infibulation: Die vaginale Öffnung wird verengt durch das Beschneiden und Zusammennähen der äusseren und/oder inneren Schamlippen. Manchmal, aber nicht immer, wird dabei auch die Klitoris entfernt.
  4. Diverse, weitere Praktiken, die die weiblichen Genitalien verletzen, etwa das Einstechen oder Durchbohren der inneren und äusseren Genitalien.

Eine illustrative Darstellung der verschiedenen Beschneidungsarten zeigen wir hier (Hinweis: das Video zeigt Illustrationen weiblicher Geschlechtsorgane).

Weibliche Genitalbeschneidung in den Projektregionen unserer Partnerorganisationen

In den Regionen in Mali und im Südsenegal, wo IAMANEH mit lokalen Partnerorganisationen tätig ist, werden vor allem die Klitoridektomie und die Exzision praktiziert. Meist wird der Eingriff an kleinen Mädchen und jungen Frauen vorgenommen, oft ohne Betäubung und unter unhygienischen Bedingungen. Entsprechend häufig kommt es zu Komplikationen und immer wieder auch zu Todesfällen. Der Eingriff kann die physische und psychische Gesundheit sowie das sexuelle Lustempfinden schwerwiegend beeinträchtigen. 

Ursprünge und Hintergründe

Bereits im Alten Ägypten (das sich bis in den heutigen Sudan erstreckte) wurden junge Frauen der Oberschicht beschnitten. Einige Theorien besagen, dass sich die Praxis von dort aus weiterverbreitet hat. Andere gehen davon aus, dass sie sich als Teil lokaler Initiationsrituale an verschiedenen Orten südlich der Sahara entwickelt hat. Obwohl die Eingriffe mehrheitlich von älteren Frauen und traditionellen Geburtshelferinnen durchgeführt werden, sind sie Teil von patriarchalen Gesellschaftsordnungen, welche weibliche Körper disziplinieren und kontrollieren wollen. So wurden auch in Europa  ab dem 16. Jahrhundert bis in 1970er Jahre operative Eingriffe wie Klitoridektomien und Infibulationen durchgeführt.

Begründungen

In afrikanischen Kontexten wird die weibliche Genitalbeschneidung oft mit Fruchtbarkeitsmythen begründet oder mit der Vorstellung, auf diese Weise Frühschwangerschaften vorzubeugen. Zudem hat sich die Praxis vor allem in Gegenden verankert, die früh mit dem Islam in Kontakt kamen - obwohl der Koran keine Mädchenbeschneidung fordert.

In einigen westafrikanischen Kontexten wird zudem argumentiert, dass die Klitoris das Männliche an der Frau und die Vorhaut das Weibliche am Mann sei – obwohl weibliche und männliche Genitalbeschneidung medizinisch nicht vergleichbar sind. Beschneidungen stellen somit auch einen Versuch dar, klare Grenzen zwischen den Geschlechtern herzustellen und damit eine patriarchale, zweigeschlechtliche Gesellschaftsordnung aufrechtzuerhalten.

In unseren Projektregionen im Zentrum Malis gilt die Beschneidung als uralte Tradition. Im Südsenegal (Casamance) hingegen begann sich die Praxis erst vor rund 60 Jahren breit zu etablieren. Dennoch entscheidet sie heute über die gesellschaftliche Stellung und Zugehörigkeit vieler Frauen. Denn die weibliche Genitalbeschneidung ist die Voraussetzung, um ein Mädchen als Erwachsene in die Gemeinschaft aufzunehmen und auf die Ehe vorzubereiten. Eltern entscheiden sich häufig für die Beschneidung ihrer Töchter, um sie (und sich selbst) vor sozialer Stigmatisierung und den damit einhergehenden ökonomischen Benachteiligungen zu bewahren.

Wie gehen wir in Mali und Senegal gegen weibliche Genitalbeschneidung vor?

Es gibt zahlreiche panafrikanische feministische Organisationen, die sich dezidiert gegen Female Genital Cutting (FGC) aussprechen, zum Beispiel The African Women’s Development and Communication Network sowie Grassroot-Bewegungen, die innerhalb ihrer Gemeinschaften und Dörfer ein Bewusstsein für die Gefahren von FGC schaffen.

IAMANEH Schweiz unterstützt seit den 1990er Jahren NGOs, die sich in Mali und Senegal gegen Mädchenbeschneidung engagieren. Mehr zu den Projekten: in Senegal  und in Mali

Die Suche nach alternativen Ritualen und der gemeinschaftsbasierte Ansatz

Die Suche nach alternativen Ritualen in enger Zusammenarbeit mit den älteren Frauen, die als Hüterinnen der Tradition gelten, gehört zu den nachhaltigsten Strategien im Kampf gegen FGC. Dabei werden die ehemaligen Beschneiderinnen nicht geächtet oder ausgegrenzt. Vielmehr werden sie honoriert für ihre Bereitschaft, Traditionen anzupassen und deren positiven Aspekte, etwa die Frauensolidarität, weiterhin zu fördern. Solche Strategien benötigen ein tiefes Verständnis lokaler Kulturen und müssen einhergehen mit der konsequenten Förderung von Frauen und lokalen Frauenbewegungen.

In Westafrika hat sich der gemeinschaftsbasierte Ansatz sehr bewährt, mit dem viele unserer Partnerorganisationen in Mali in der Vergangenheit gearbeitet haben. «Gemeinschaftsbasierter Ansatz» bedeutet: Die Gemeinschaften setzen sich selbst intensiv mit ihren Praktiken und Geschlechtervorstellungen auseinander. Diese Auseinandersetzung geschieht mithilfe von Bewusstmachung, Dialog und gemeinsamer Reflexion. Sie kann zur Folge haben, dass Gemeinschaften zum Schluss kommen, dass einige ihrer Praktiken ihrer eigenen Vision von Entwicklung oder Veränderung entgegenstehen.

Entschlüsse zu Veränderungen werden gemeinschaftlich getroffen und im Rahmen einer Zeremonie öffentlich bekundet. Bei der FGC heisst das zum Beispiel, dass der Entschluss, diese nicht weiter durchzuführen, offiziell verkündet wird. Da der Wunsch nach gesellschaftlicher Zugehörigkeit ein wichtiger Grund dafür ist, FGC durchzuführen, verändert der öffentlich getroffene Beschluss den gesellschaftlichen Rahmen. Dies schafft Verbindlichkeit und erleichtert die Veränderung für alle betroffenen und beteiligten Personen.

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