Was ist ein menschenrechtsbasierter Entwicklungsansatz?

Wenn wir von Menschenrechten reden, wissen wir alle, worum es geht. Grundbedürfnisse wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie Grundfreiheiten wie das Recht auf Bildung oder Meinungsfreiheit sind ein paar Beispiele aus den universellen Menschenrechten.

Menschenrechtsverletzungen geschehen täglich: jedes Mal, wenn Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert und stigmatisiert werden, jedes Mal, wenn der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen verweigert wird.

Mit dem menschenrechtsbasierten Ansatz werden die Rechte der Menschen in den Vordergrund gerückt. Die Betroffenen werden befähigt, ihre Rechte auf Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse einzufordern. Sie sind also nicht mehr nur EmpfängerInnen von Hilfeleistungen, sondern Anspruchsberechtigte und RechtsträgerInnen gegenüber staatlichen Institutionen, die nun als Pflichtträger gesehen werden und nicht nur als Dienstleister.

Was in der Theorie einleuchtend klingt, ist in der Praxis noch lange nicht umgesetzt. Trotz der erzielten Fortschritte existieren noch immer zahlreiche Menschenrechtsverletzungen aufgrund rechtlicher, politischer und regulatorischer Hindernisse.

IAMANEH Schweiz leistet mit ihrer bosnischen Partnerorganisation Vive Zene in diesem Bereich einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung der Menschenrechte. Anfang Mai fand dazu eine Fachtagung von Medicus Mundi/aidsfocus.ch statt. Jasna Zecevic, Direktorin von Vive Zene, war als Referentin eingeladen, um über genderbasierte Gewalt zu sprechen.

Vive Zene engagiert sich für die Menschenrechte und nimmt dabei verschiedene Rollen wahr: einerseits als Experte und Fachinstitution, die auf die Anerkennung des Staates angewiesen ist und mit diesem zusammenarbeitet; andererseits als Aktivist, welche die Rechte der Zivilbevölkerung verteidigt und Veränderungen auf politischer und sozialer Ebene fordert.

 

Eine nicht ganz einfache Gratwanderung. Dazu ein Kurzinterview mit Jasna Zecevic:  

Wie zeigt sich der menschenrechtsbasierte Ansatz in Ihrer Arbeit?

Mit einem menschenrechtsbasierten Ansatz zu arbeiten, bedeutet auf verschiedenen Ebenen zu handeln. Auf Ebene des Individuums bieten wir in einem Therapiezentrum psychotherapeutische, medizinische, soziale und rechtliche Beratung für traumatisierte Frauen und Kinder an. Ziel der Therapie ist es, die Frauen wieder in die Lage zu bringen, eine Lebensperspektive zu entwickeln, sie zu stärken und ihnen ihre Rechte bewusst zu machen.

Auf Ebene der Gemeinschaft arbeiten wir mit verschiedenen Gruppen in Rückkehrgebieten. Hier geht es um den Wiederaufbau von sozialen Netzwerken und um die Übernahme von Selbstverantwortung als Mitglieder einer Gemeinschaft.

Ausgesprochen wichtig ist aber auch die Arbeit auf politischer Ebene. Vive Zene setzt sich aktiv dafür ein, die Gesetzgebung im Bereich Opferschutz zu verbessern und die Verantwortungsübernahme seitens des Staates voranzutreiben.

Wie unterstützt IAMANEH Vive Zene in der Implementierung eines menschenrechts-basierten Ansatzes?

Die Unterstützung von IAMANEH ist nicht nur finanzieller Natur. Viel grössere Bedeutung und einen wichtigen Einfluss haben gemeinsame Überlegungen, die fachliche Beratung und die Begleitung der Organisation in der Verhandlung von Leistungsverträgen mit staatlichen Strukturen. Die Offenheit zum Gespräch sowie der respektvolle partnerschaftliche Umgang haben zu einer guten Beziehung beigetragen und uns die Möglichkeit gegeben, uns weiterzuentwickeln. Heute werden wir auch von staatlichen Institutionen als professioneller Akteur wahrgenommen.

Was nehmen Sie mit von dieser Konferenz? Was haben Sie gelernt?

Mir wurde wieder bewusst, wieviel auf internationaler Ebene getan wird, Menschenrechte in die nationalen Politiken zu integrieren. Diese Bemühungen alleine reichen jedoch nicht aus. Bosnien-Herzegowina hat zahlreiche internationale Abkommen und Konventionen unterzeichnet, trotzdem fehlt die Bereitschaft, diese Verpflichtungen umzusetzen. Es braucht auch noch viel mehr synchronisierte Zusammenarbeit zwischen lokalen Nichtregierungs-Organisationen und UN-Organisationen vor Ort. Gegenseitiges Lernen und Unterstützung wären wichtig. Nur so kann man dem Staat seine Verantwortung bewusst machen, Menschenrechte auch umzusetzen.