IAMANEH setzt im Senegal seit 2001 mit verschiedenen lokalen Partnerorganisationen Projekte im Bereich sexuelle und reproduktive Gesundheit um. Welches Projekt hat dich besonders beeindruckt?
In Dakar, der Hauptstadt Senegals, besuchten wir das Projekt unseres Partners Intermondes. Jugendliche im Alter von 10 bis 18 Jahren werden über sexuelle und reproduktive Gesundheit informiert und der Zugang zu bedarfsgerechten Gesundheitsdiensten wird ihnen erleichtert.
Das Projekt arbeitet sowohl mit den Jugendlichen als auch mit Eltern, Dienstleistern und Behörden zusammen. Einige der Aktivitäten, an denen ich teilnahm, finden in Gesundheitszentren statt. So können sich die Jugendlichen mit dem Gesundheitspersonal vertraut machen, was wiederum die Hemmschwelle herabsetzt, in Fragen sexueller und reproduktiver Gesundheit Hilfe zu suchen. Andere sehr erfolgreiche Aktivitäten, die sogennanten "Causeries", sind von Jugendlichen organisierte Gesprächsrunden oder Strassentheater, bei denen Eltern und Quartierchefs anwesend sind.
IAMANEH arbeitet vor allem mit jungen Menschen zusammen, die über 60% der Bevölkerung im Senegal ausmachen. Ihr Engagement ist von entscheidender Bedeutung, um signifikante Veränderungen in den Einstellungen zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit zu bewirken. Viele Mädchen sind von geschlechtsspezifischer Gewalt und Frühschwangerschaften betroffen, was unter anderem auf einen Mangel an Informationen und auf bestehende Geschlechterstereotypen zurückzuführen ist.
Wie kann man sich diese «Causeries» vorstellen?
«Causeries» sind sogenannte «Plaudereien», die unsere Partner organisieren: Austauschforen in Schulen, Stadtvierteln oder Gesundheitszentren. Die Plaudereien finden in einem neutralen, vertrauensvollen Raum statt und sind moderiert. Die Moderatoren sind Projektmitarbeitende, aber auch Gesundheitspersonal oder angesehene Personen. Sie werden in Gesundheitsfragen weitergebildet, damit sie sowohl Jugendliche informieren und beraten als auch als Brücke zwischen den Generationen fungieren können. Letzteres ist äusserst wichtig, da die Jugendlichen in den Gesprächen oft für mehr Toleranz und Unterstützung durch ihre Eltern für ihre Entscheidungen plädieren.
Kannst du uns mehr über die Ansichten der Jugendlichen erzählen?
Die offenen Diskussionen zwischen Mädchen und Jungen über Themen der reproduktiven Gesundheit fand ich besonders interessant. Die Mädchen zögerten nicht, sich vor den Jungen zu behaupten und an ihre Verantwortung in diesem Bereich zu erinnern, zum Beispiel in Bezug auf Verhütung. In der traditionellen afrikanischen Gesellschaft werden hauptsächlich die Mädchen für Frühschwangerschaften verantwortlich gemacht und müssen alle Konsequenzen tragen. Aus diesem Grund sind offene Räume für den Austausch äusserst wirksam, um Stereotypen aufzubrechen, insbesondere wenn die Jugendlichen diese Überlegungen selbst anstellen.
Wie willst du diese Erfahrungen in deine Arbeit einfliessen lassen?
Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie wichtig und richtig unsere Arbeit vor Ort ist und was sie bewirkt, wie schwierig die Lebensrealitäten sind – und kann heute – als Fundraising-Verantwortlicher - viel besser unsere Projekte an institutionelle Geldgeber vermitteln, weil ich mich damit 100% identifiziere. Ich weiss, wovon ich rede, und verliere in keinem Moment aus den Augen, dass mein Einsatz ausschliesslich den Begünstigten vor Ort dienen soll und ich als lediglich als Vermittler zwischen zwei Welten fungiere.