Die «hommes champions» gewinnen immer

Die Programmverantwortliche Maja Hürlimann besuchte im März 2019 das Projekt von Aprofes. Dort begegnete sie einer Gruppe von «hommes champions», deren Geschichten sie sehr beeindruckten.

Die hommes champions von Kaolack zusammen mit unserer Programmverantwortlichen Maja Hürlimann (2019)Unsere Partnerorganisation Aprofes führt in der Kleinstadt Kaolack, im Erdnussbecken Senegals, das einzige Beratungszentrum für Opfer von häuslicher Gewalt in der Region. Sie stellte fest, dass die Opferzahl während Jahren nicht abnahm. Wir legten Aprofes nahe, einen gendertransformativen Ansatz zu verfolgen: mit Männern und Jungen an ihrem eigenen Rollenverständnis zu arbeiten. Denn die Gewalt an Frauen hat ihre Ursache unter anderem in den festgefahrenen, partriarchalen Rollenmodellen, in welchen die Männer alle Rechte haben, aber kaum Pflichten, und die Frauen kaum Rechte, dafür alle Pflichten.

Als erster Schritt suchte Aprofes mit der Bevölkerung in fünf Dörfern je zwei Männer aus, die bereits vorbildhaftes und absolut gewaltfreies Verhalten zutage legten – mit entsprechend zufriedenen Ehefrauen. Aprofes stärkte und schulte sie, um anderen Männern ihr Verhalten gegenüber den Ehefrauen aufzuzeigen und mit gutem Beispiel in ihrer Dorfgemeinschaft voranzugehen. Diese «hommes champions» bildeten Gruppen von Männern, die der Idee positiv gegenüberstanden und bereit waren, ihr Rollenverhalten zu hinterfragen und zu ändern. Maja Hürlimann traf in Kacothie eine solche Gruppe von beinahe 30 Männern.

Die Männer und Frauen sind begeistert – aber am Anfang gab es auch Skepsis

Die Wirkung dieser Arbeit mit den Männern ist aussergewöhnlich. Im Senegal sind die meisten Aufgaben rund um den Haushalt den Frauen zugeschrieben. Männer, die solche Arbeiten verrichten, machen sich lächerlich. Die «hommes champions» kümmert das nicht. Sie helfen ihren Frauen beim Holz oder Wasser holen, beim Kochen, der Betreuung der Kinder, im Garten, und bei vielen anderen Aufgaben, und sie stehen dazu. «Da gibt es ganz erstaunliche Resultate», berichtet unsere Programmverantwortliche Maja Hürlimann von ihren Beobachtungen vor Ort. «Ein Ehepaar beschloss, gemeinsam ein Motorrad zu kaufen, womit der Mann das Wasser holen und das Getreide zur Mühle fahren kann. Dadurch bleibt der Frau jeden Tag mehr Zeit für die Arbeit im Gemüsegarten. Das Gemüse bringen sie mit dem Motorrad auf dem Markt, wo die Frau es verkauft. Und so sind sie zu mehr Wohlstand gekommen.» Solche Zusammenarbeit führt zu gegenseitigem Respekt, zu Frieden und Harmonie in der Ehe, ein besseres Einvernehmen verhindert Gewalt und verhilft der Familie letztlich auch, wie in dem Beispiel, zu einem besseren Einkommen. Und es spricht sich herum. «Die Männer in der Gruppe sind ernsthaft überzeugt, und möchten nie mehr wie früher leben wollen.» Auch zwei Männer eines benachbarten Camps von nomadisierenden Rinderhirten fragten nach, was es mit diesen «hommes champions» auf sich hat, und haben sich der Gruppe angeschlossen.

Die von APROFES ausgebildeten zehn «hommes champions» organisieren Informationsveranstaltungen und nehmen an Diskussionsrunden am beliebten regionalen Radio teil, und sie motivieren so weitere Männer zum Umdenken. Die Frauen als gleichwertige Partnerin zu respektieren, bedeutet harmonischere Ehen, und somit auch glücklichere Männer – ein gewisser Eigennutz steckt auch dahinter. Und offenbar sind für die neuen Männer die Vorteile grösser, als jene, die der altmodische Patriarch im Haus hat. «Am Anfang waren auch die Frauen sehr kritisch», weiss Maja Hürlimann zu berichten, «so einen schwachen Mann wollten sie nie, sagten sie.» Aber diese Meinung änderten sie, sobald die «hommes champions» zum akzeptierten Vorbild wurden – «mittlerweile sehen das alle positiv».

Gespräche unter Männern sind sehr wichtig

Männer tauschen sich gerne bei einem rituell zubereiteten Tee aus – und ein solcher Austausch hat einen grossen Einfluss auf die Meinungsbildung. «Es ist sehr wichtig, dass die Männer unter sich ihre Rollenbilder und die positiven Erfahrungen ihrer Verhaltensänderungen diskutieren», sagt Maja Hürlimann. Auch der örtliche Imam von Kacothie ist mit dabei und zeigt den Männern auf, dass der Koran das respektvolle Verhalten des Mannes gegenüber der Frau vorgibt. Die senegalesische Gesellschaft ist zwar patriarchal, der Islam im Senegal hingegen ist durchaus offen für mehr Gleichberechtigung und eine entsprechende Auslegung des Korans. «Es ist wünschenswert, wenn noch mehr örtliche Meinungsführer mit ins Boot geholt werden können», meint Maja Hürlimann, was mit der Fortsetzung der Überzeugungsarbeit möglich ist. Mit den Kindern der «hommes champions» wächst eine Generation mit einem neuen Rollenverständnis heran und sie werden ihrerseits zu einer gleichberechtigteren Gesellschaft ohne Gewalt gegen Frauen beitragen.

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