«Einige haben sich verpflichtet, ihre Töchter nicht zu beschneiden»

Catherine Keita ist Krankenschwester für Geburtshilfe in Mali. Die 31-Jährige setzt sich mit unserer Partnerorganisation RIPOD für ein Ende der weiblichen Genitalbeschneidung ein.

 

 

 


Catherine Keita, Krankenschwester, «Championne» im Projekt gegen weibliche Genitalbeschneidung. Foto zVg

Frau Keita, warum ist Ihnen der Kampf gegen die weibliche Genitalbeschneidung so wichtig?

Als Gesundheitshelferin und Frau kenne ich die negativen Auswirkungen der weiblichen Genitalverstümmelung. Deswegen halte es ich für notwendig, diese Praxis zu beenden.

An welche negativen Auswirkungen denken sie?

Die weibliche Genitalbeschneidung ist eine Ursache für Kinder- und Müttersterblichkeit. Sie kann zu Vaginalfisteln und Geburtsschwierigkeiten führen, da die äusseren Organe des Mädchens oder der Frau teilweise oder vollständig entfernt werden. Die Beschneidung vom Typ 3 (Infibulation) führt auch zu Schwierigkeiten beim Geschlechtsverkehr.

In Ihrem beruflichen Alltag sind Sie in Kontakt mit Frauen, die beschnitten wurden und deswegen Schwierigkeiten haben. Können Sie uns darüber berichten?

Das Schlimmste in dieser Hinsicht war für mich der Tod eines sechs Monate alten Mädchens. Es wurde notfallmässig in unser Gesundheitszentrum gebracht, nachdem es beschnitten worden war. Es starb an einer Blutung. Aber es gab auch andere schlimme Fälle.

Welche zum Beispiel?

Ich denke immer wieder an die Geschichte einer 16-jährigen Gebärenden, die nach der Geburt verblutete. Ihre Geburt war sehr kompliziert, weil ihre Vulva durch die Typ-3-Beschneidung geschlossen war und die Geburt einen Riss erforderte, um die Mutter und das Baby zu retten. Dies ist eine von verschiedenen möglichen Folgen der Beschneidung. Andere führen nicht zum Tod, sind aber ebenfalls gravierend. Zum Beispiel klagt eine beschnittene Bekannte über Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Sie hat kein Heilmittel für ihr Leiden gefunden. Diese Situation hat zu Spannungen in ihrem Eheleben geführt.

Was muss sich ändern?

Die Einstellung der Gesellschaft muss sich ändern. Es gibt viele Vorurteile gegenüber der weiblichen Genitalbeschneidung. Trotz der Gefahr, die von der Beschneidung ausgeht, glauben viele immer noch, dass es sich um eine Notwendigkeit und eine religiöse Empfehlung handelt. Mehr als 80% der Bevölkerung von Baraouilli glauben, dass eine Frau, die nicht beschnitten ist, nicht rein ist und auch nicht zur Religionsausübung zugelassen wird. Und viele Männer sagen, dass Geschlechtsverkehr mit nicht-beschnittenen Frauen zu sexueller Impotenz und Unfruchtbarkeit führen kann.

Welchen Beitrag können Sie für Veränderungen leisten?

Mein Beitrag besteht darin, die Gemeinschaft weiterhin über die Folgen der weiblichen Genitalverstümmelung aufzuklären, indem ich Gegenargumente zu der Praxis in Bezug auf die Religion und die medizinischen Folgen vorbringe. In den Sprechspunden vor und nach der Geburt spreche ich regelmässig mit den Mädchen und Frauen über die Notwendigkeit, die Praxis aufzugeben.

Können Sie konkrete Situationen beschreiben, in denen Sie zu einer Veränderung beitragen konnten?

Ich denke, ich habe zu einem Mentalitätswandel bei den Frauen beigetragen, die wir im Krankenhaus und während Versammlungen mit weiblichen Mentorinnen betreuen. Viele von ihnen haben Verständnis dafür gezeigt, dass wir die Praxis der weiblichen Genitalbeschneidung aufgeben sollten. Einige bezeugen, dass sie unter den Folgen der Beschneidung leiden und nicht möchten, dass ihre Töchter ebenfalls darunter leiden. Im Jahr 2023 konnte ich dank des Projekts mit IAMANEH Schweiz und RIPOD die Unterstützung des Pastors gewinnen und dafür sorgen, dass die Mädchen und Jungen in der Kirche gute Informationen über die Praxis der Beschneidung erhalten. Von ihnen haben sich einige verpflichtet, ihre Töchter nicht zu beschneiden, sobald sie welche haben.

Im Projekt von RIPOD und IAMANEH Schweiz tragen Sie den Titel einer «Championne». Was bedeutet das genau?

Ich bin eine mutige junge Frau, die sich motiviert für die Abschaffung der weiblichen Genitalverstümmelung einsetzt. Dieses heilsame Projekt ist für mich eine Chance, zur Erhaltung der körperlichen und seelischen Gesundheit von Mädchen und Frauen beizutragen. Im Rahmen des RIPOD-Projekts wurde eine religiöse Argumentation zu Frauenrechten und Religionen erarbeitet. Dank dieser Argumentation kann ich zeigen, dass die Praxis der Genitalbeschneidung keine religiöse Pflicht ist. Dieses Projekt gibt mir die Möglichkeit, mich für die Abschaffung der weiblichen Genitalverstümmelung einzusetzen.


RIPOD hat es sich in einem gemeinsamen Projekt mit IAMANEH Schweiz zum Ziel gesetzt, die Frauenrechte in Mali zu fördern. Ein Netzwerk aus religiösen Autoritätspersonen setzt sich für gesellschaftliche Veränderungen in Mali ein und zeigt, dass Religion Gewalt gegen Frauen nicht legitimiert. Mehr zum Projekt: Nein zu Gewalt an Frauen und Genitalbeschneidung

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